31. Juli
Eintracht – Hertha BSC Berlin 10:9 n.E. (0:2; 2:2; 4:4)31.07.2022
1.Runde DFB-Pokal – 2022/2023
Zugegeben! Eintracht war erst im Sommer wieder in die 2.Bundesliga aufgestiegen.
Zugegeben! Sportdirektor Peter Vollmann schien seinem Ruf gerecht zu werden, zwar ein brillanter Kenner der 3.Liga zu sein (Fort.Köln 2001, Eintracht 2002, Hansa Rostock 2011, VfR Aalen 2015-18), aber kein zweitligataugliches Aufgebot zusammenstellen zu können (Eintracht 2002, 2020; Hansa Rostock 2011) .
Zugegeben! Der Start in die Zweitligasaison 2022/23 war mit 0 Punkten aus 2 Partien (0:2 gegen den HSV, 0:3 beim 1.FC Heidenheim) gründlich missraten, auch wenn der BTSV gegen die Hamburger die bessere Elf war, nur seine zahlreichen Torchancen in Ermanglung eines Torjägers nicht nutzen konnte.
Wer aber einen Fan der Braunschweiger Eintracht am Abend des 31.7.2022 nach 21 Uhr in der Gegend des Eintracht-Stadions antraf, wird einem glücklicheren, euphorisierteren Menschen kaum zuvor begegnet sein.
Und das kam so:
Nach dem Start der 2.Bundesliga Mitte Juli bzw. 2 Wochen zuvor stand nun wieder die 1.Runde im DFB-Pokal an. Eintracht hatte als Aufsteiger in die 2.Liga –- wie alle Dritt- und Amateurligisten – ein Heimspiel und den Bundesligisten Hertha BSC zugelost bekommen.
Schon wieder! Keine Mannschaft war so oft innerhalb der letzten 20 Jahre in Braunschweig im Pokal angetreten wie die „alte Dame“ aus Berlin. Los ging es am 22.9.04, als Eintracht als Drittligist (damals noch Regionalliga) den mit Stars wie Marcelinho und Rafael gespickten Bundesligisten mit 3:2 aus dem Feld räumte. Es folgte eine 1:2-Niederlage unter dem Möchtegern-Trainer Henrik Petersen eingangs der 3.Liga-Saison 2018/19 und das spektakuläre 5:4 mit 3 Toren von Martin Kobylanski am 11.9.20, das die Sinne für die Realität vernebelte und von einer sorgenfreien Zweitliga-Saison träumen ließ. Jedenfalls war der Abstieg 2019 dank Trainer Michael Schiele und seinem gut zusammengestellten Team direkt mit dem Zweitliga-Aufstieg wieder wettgemacht worden.
Und nun stand Hertha BSC wieder im Pokal vor der Tür -- gegenüber dem 5:4 zwei Jahre zuvor jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Die Corona-Pandemie war zwar noch nicht vorbei, doch Beschränkungen im Zuschauerbetrieb gehörten, zumindest vorerst, der Vergangenheit an. Statt einer Veranstaltung der Vergnügungsindustrie mit glücklichem Ausgang für den am verhassten, kostenpflichtigen Pay-TV Sender mitfieberndem Eintracht-Fan bestand nun wieder die Möglichkeit des Stadionbesuchs. 14.126 Braunschweiger und Berliner Fans nutzten die Chance.
Nur knapp über 14.000 Zuschauer? An den Berlinern hat es nicht gelegen, denn sie waren mit über 2.000 Fans vertreten. Gründe auf Braunschweiger Seite waren sicherlich vor allem die merkwürdige Art des Vorverkaufs des BTSV sowie der etwas holprige Saisonstart der „Löwen“. Dass das Finale der Frauenfußball-EM, das gleichzeitig stattfand, auch Zuschauer gekostet hat, mag durchaus sein, wird aber für unwahrscheinlich gehalten. Denn was ist schon ein EM-Finale der Frauen am TV gegenüber einem Spiel der „Löwen“ im „Tempel“?
Die Herthaner waren in der vergangenen Saison nur hauchzart dem Bundesliga-Abstieg entgangen. Nachdem sie schon 2 Trainer (Dardai, Korkut) verschlissen hatten, stellte schließlich „Retter“ Felix Magath in der Relegation gegen den Hamburger SV (0:1/2:0) den Klassenerhalt sicher.
Diejenigen unter den Eintracht-Fans, die sich aufgrund der Schwierigkeiten der Berliner in der vergangenen Saison Hoffnungen für die eigene Mannschaft ausgerechnet hatten, sahen sich zunächst enttäuscht. Zu sehr dominierte der nun von Trainer Sandro Schwarz (ehemals Mainz 05) betreute Bundesligist die „Löwen“, bei der nun der von seiner Corona-Erkrankung genesene Fejzic wieder im Tor stand. Das schlug sich auch in dem Ergebnis wieder. Halbzeit: 0:2! Selke (10.) per Kopf und Maulida hatten die Tore erzielt, nachdem der in der vergangenen Spielzeit noch an den VfL Wolfsburg ausgeliehene Lukebakio die halbe Hintermannschaft der Blaugelben ausgespielt hatte (42.).
Schiele reagierte und brachte für den 2.Durchgang Marx, Schultz und Donkor (für Wiebe, Decarli und Kijewski.. Sichtbar besser wurde das Spiel der „Löwen“ dadurch nicht, obwohl Pherai einmal den Pfosten traf. Hertha kontrollierte das Spiel. Erst als Boyata den starken Neuzugang der Blaugelben Pherai im Strafraum zu Fall brachte und Behrendt den zu Recht verhängten Elfmeter kompromisslos verwandelte (63.), wurde es ein anderes Spiel. Lauberbach, den der Trainer zunächst auf der Bank gelassen und erst in Minute 61 (für Ihorst) eingewechselt hatte, gelang schon drei Minuten das 2:2, indem er eine Marx-Vorlage ins Tor spitzelte (66.). Hertha, das einen sicher geglaubten Sieg aus der Hand gegeben hatte, wirkte kurz geschockt, sortierte sich dann aber neu. Nur … die „Löwen“, angeführt von ihrem Spielmacher Pherai, einem vor Spielfreude nun sprühenden Lion Lauberbach und einem wiederholt stark haltenden Jasmin Fejzic, spielten nun mit. So entwickelte sich ein packender Schlagabtausch, dem allerdings bis zum Ende der regulären Spielzeit die Tore fehlten. 2:2 – Verlängerung!
Als nicht einmal eine Minute in der Verlängerung vergangen war und Eintracht plötzlich 3:2 führte, glich das Stadion einem Tollhaus. Lauberbach hatte bei einem Überraschungsangriff Pherai angespielt, sodass dieser nur noch einzuschieben brauchte (91.). Die Eintracht-Fans wähnten sich im 7.Himmel. ‚Das war doch ´mal ´ne andere Nummer als dieses sterile TV-Geglotze, das war Fußball live. Und womöglich mit dem BTSV als Gewinner …‘
Hertha hatte etwas dagegen und drehte die Partie erneut. Noch vor dem letzten Wechsel gelang Tousart (103.) das 3:3 und direkt nach dem letzten Wechsel Lukebakio das 3:4.(106.). Was dem Eintracht-Anhang dennoch Mut machte? Die Blaugelben spielten jetzt wieder auf „ihre“ Südkurve, wo sie auch in der regulären Spielzeit den Ausgleich geschafft hatten. Dennoch drehte der Sekundenzeiger etliche Runden, ohne dass etwas passierte. In Minute 118 jedoch bediente Pherai den -- an diesem Tag ebenfalls gut aufgelegten -- nimmermüden Renner Bryan Hennings im Strafraum 15 Meter vor dem Tor. Der zögerte nicht lange und gab humorlos einen Schuss auf das Tor der Gäste, nein … in das Tor ab. Tooooor! Halb hoch schlug das Leder rechts vom Torwart in der Ecke ein. 4:4! ‚Was ging denn hier ab!‘
Kurz danach pfiff Schiedsrichter Stieler (Hamburg) die Partie ab. Ein Elfmeter-Schießen musste entscheiden. Mit dieser Entscheidungsart hatte der BTSV wohl schon einige Erfahrungen (mit wechselnden Ausgängen) gemacht, aber noch nie im DFB-Pokal, sondern regelmäßig – eine Nummer kleiner – im NFV-Pokal.
Eintracht hatte Glück bei der Auswahl des Tores, denn auf das in der Südkurve wurde geschossen. Dafür durften die Herthaner beginnen.
Darida … drin 0:1, Pherai …drin 1:1
Kenny … drin 1:2, Marx … drin 2:2
Plattenhardt … Fejzic hält. Jubel bei den Entracht-Fans, noch mehr, als: Nikolaou … drin 3:2
Jovetic … drin 3:3, Donkor … Christensen hält. Aufstöhnen beim Eintracht-Anhang. Alles wieder offen!
Ejuke … drin 3:4, Behrendt … drin 4:4.
Die Ersatzschützen mussten ran:
Sunjic … drin 4:5, Krauße … drin 5:5
Kempf … über … ‚ÜBER‘ das Tor. Und nun lief Bryan Hennig an. ‚Mach‘ es, Bryan! Du weißt doch, wie es geht. Erinnere Dich nur an die 118..‘ Und Henning erinnerte sich gut:
Henning … drin 6:5 !!!
Eintracht hatte gewonnen und zog damit in die zweite DFB-Pokalrunde ein. Die weiteren 418.494€, die damit in die Vereinskasse flossen, kann der BTSV gut brauchen.
Auf diese Mehreinnahme müssen neben der Hertha auch die Bundesligisten Bayer Leverkusen (3:4 beim Drittligisten SV Elversberg) und der 1.FC Köln (Aus beim Zweitligisten Jahn Regensburg im 11m-Schießen) und die Zweitligisten Hansa Rostock (0:1 beim RegL VfB Lübeck), die SpVgg Greuther Fürth (0:2 beim RegL Stuttg.Kickers), der 1.FC Magdeburg (0:4 gg Eintr.Frankfurt) und Holstein Kiel (3:5 i.E. bei Drittligist Waldhof Mannheim) nun verzichten.
[Stand: August 2022]